Eine gute Alterskultur zwischen Engagement und dörflicher Lebenswelt
In einem Impulsgespräch in Lipperreihe, wird mit dem ehemaligen AWO-Vorsitzenden Hans-Dieter Stönner, „kein unbekanntes Wesen“ in den Fokus gesetzt. Sein 40jähriges ehrenamtliches Engagement trug erheblich dazu bei, die Relevanz einer guten Alterskultur sichtbar zu machen.
Lipperreihe ist für Hans-Dieter Stönner immer „sein Dorf“, in dem er etwas bewirken kann und in dem Engagierte eine Selbstwirksamkeit in ihrem Tun erfahren. In der AWO Lipperreihe e.V. setzte er sich 40 Jahre für mehr Sichtbarkeit der Belange älterer Menschen ein und engagierte sich davon 15 Jahre als Vorstandsvorsitzender. Aus privaten und gesundheitlichen Gründen entschied er sich nun zum Rücktritt. Im Gespräch mit der Lipperreiher Koordinatorin der digitalen Bürgerplattform, Manuela Outiti, gibt er einen Einblick in seine 40jährigen Vereinsarbeit. Seine wichtigste Erkenntnis daraus: „Um eine gute Alterskultur sichtbar zu machen, braucht es niederschwellige Angebote auf Augenhöhe und eine Begegnungsstätte als Treffpunkt.
Frage: Die AWO-Lipperreihe e.V. ist nicht nur eine moderne Begegnungsstätte, sie ist auch der größte AWO-Ortsverein in Oerlinghausen. Was machte Ihre Tätigkeiten aus?
„Als AWO-Ortsverein sind wir immer bemüht neue Aspekte in unser Ehrenamt für eine gute Alterskultur einzubringen. Wir sind aber auch eine wichtige Stütze zur Sicherung der Daseinsvorsorge und Träger von Kultur- und Freizeitangeboten. 2016 hatten wir das Glück ein Vermächtnis von der Lipperreiher Familie Strate zu erhalten und konnten dadurch unsere Sichtbarkeit durch den Bau einer Begegnungsstätte deutlich verbessern. 3 Jahre dauerte es, bis der bürokratische Weg, der Kauf des Grundstücks und die Bauphase beendet waren, was alles rein ehrenamtlich mit einigen Mitgliedern organisiert und begleitet wurde. 2019 fand dann die offizielle Eröffnung mit großem Besucherandrang statt. Diesen Anlass haben wir natürlich genutzt, um auf unsere zahlreichen Aktionen aufmerksam zu machen.“
Frage: Das ist ein riesiges Engagement, für ein ganzes Dorf – ehrenamtlich den Bau einer Begegnungsstätte zu organisieren. Was mussten sie alles für Hürden stemmen?
„Ohne unermüdlichen Einsatz ging das natürlich nicht. Als unsere ehemaligen Räumlichkeiten 2014 vor der Grundschule Lipperreihe abgerissen wurden, haben wir erst einmal über das bestehende Netzwerk vor Ort versucht neue Räumlichkeiten zu finden. Als das nicht klappte konnte die Kirche erst einmal mit Räumlichkeiten aushelfen. Durch die Öffentlichkeitsarbeit des Erbes, bot uns eine Lipperreiher Bürgerin ein Grundstück an. 2016 hatten wir dann ein Grundstück, worauf wir noch eine kleine Halle abreißen lassen mussten; 2017 konnten dann Zeichnung, Planung und Gewerke koordiniert werden; 2018 war der Bau der Begegnungsstätte und im Mai 2019 die offizielle Eröffnung. Da wir keine öffentlichen Mittel erhalten haben, musste immer genau gerechnet werden, um im Kostenrahmen des Erbes zu bleiben.
Frage: Mit welchen Angeboten sorgten sie für eine gute Alterskultur und Sichtbarkeit ihres Engagements?
„Wir bieten nicht nur die klassischen wöchentlichen Seniorentreffen und Ausflugsmöglichkeiten an, sondern beispielsweise auch viele Veranstaltungen wie: Karnevalsfeier, Osterbrunch, Grillfeste, Weihnachtsfeier oder gemeinsames Frühstück. Seit 2019 helfen junge Digitallotsen dabei, die Dorffunk App für diejenigen einzurichten, die Hilfe dabei benötigen, um eine breite digitale Beteiligung, gerade für ältere Menschen zu ermöglichen. Zudem finden viele Kurse für jedermann statt: vom Englischkurs über Handarbeit bis hin zur Heimatwerkstatt oder den Nachhaltigkeitszielen, wofür demnächst sogar eine Ausstellung geplant ist. Eigentlich versuchen wir immer Maßnahmen zu organisieren, mit denen es gelingt viele Menschen anzusprechen.
Frage: Das hört sich gut an. Wie werden die Angebote angenommen?
„Aus der lokalen Bürgerschaft erhalten wir durchweg positive Rückmeldungen, was auch die Besucherzahlen bestätigen. Wir haben ganz pragmatisch vermittelt, was eine Begegnungsstätte für einen Ort leisten kann, worüber sich heute viele Menschen vor Ort durch Engagement oder Mitgliedschaft identifizieren. Interessierte Personen sind immer herzlich eingeladen.“
Frage: Woran erinnern sie sich besonders gern in ihrer 40jährigen Tätigkeit?
Ich erinnere mich gern an die Zeit, in der ich mit meiner Frau tagelang die Wegstrecken für die zu planenden Ausflüge abgefahren bin. So ist es uns immer gelungen, die Ausflüge erlebbar und anschaulich vorzubereiten. Außerdem konnten wir dadurch auch gleich so manches Problem, wie Barrierefreiheit, Parkplätze, Essensangebote etc. vorab regeln. Heute kann man das mit Hilfe der Technik alles einfacher organisieren. 22 Jahre habe ich diese Mitgliederfahrten mit jeweils 2 Bussen organisiert. Aber es gibt viele schöne Erinnerungen: 2010 habe ich mit dem Kreis Lippe am runden Tisch für das Zukunftskonzept 2020 mitgewirkt und mich für die Berücksichtigung einer guten Alterskultur eingesetzt. 16 Jahre lang war ich Schriftführer im ehemaligen Oerlinghauser AWO-Stadtverband, wo sich die drei Oerlinghauser AWO-Ortsvereine regelmäßig austauschten oder gemeinsam etwas planten. Leider löste sich der Stadtverband auf, nachdem der Vorsitzende Günther Neese wegzog. Da jedes Dorf eine individuelle Betrachtung bedarf, habe ich nie aufgehört gute Netzwerke zu bilden und war 12 Jahre lang im Senioren- und Behinderten Ausschuss, wo ich mich für die Belange unserer älteren Menschen immer eingesetzt habe.
Frage: Was war ihre größte Motivation, sich so viele Jahre, mit so großem Einsatz ehrenamtlich zu engagieren?
Meine Motivation war immer, etwas zur Entwicklung des Heimatortes, für einem kulturell offenen und lebenswerten Ort beizutragen, in dem sich die Menschen mit Respekt und Interesse begegnen. Im Mittelpunkt stand dabei die Entwicklung unserer heutigen Begegnungsstätte.
Frage: Welche Herausforderungen sehen sie im heutigen Ehrenamt?
Nicht nur die Vorsitzenden ändern sich im Laufe der Zeit, auch das Ehrenamt verändert sich. Viele Menschen wollen sich nur projektorientiert engagieren, also einen überschaubaren Zeitraum. Einige Menschen warten, dass etwas passiert, urteilen allenfalls über andere. Die AWO will mehr Menschen für ein gutes Miteinander und zum Mitmachen gewinnen. Das muss heute gut bedacht und koordiniert werden. Diese Herausforderung zu einem neuen, selbstgestalteten, kreativen Miteinander kann sinnvoll Lücken schließen und gemeinschaftlich kann ein Blick in die Zukunft gewagt werden. Der Austausch auf Augenhöhe macht schließlich ein gutes Netzwerk aus und Engagement kann heute viele Erscheinungsformen haben.
Es ist bemerkenswert, wie sie sich für ihr Lebensumfeld eingesetzt haben und aktiv auf die Menschen zugehen um Veränderungen zu erreichen!
Ein Sprichwort besagt: „Es gibt nichts Gutes außer man tut es.“ Wir können eine gute Alterskultur in unserem Ort nur weiterentwickeln, wenn wir alle aktiv anpacken, denn wir alle werden älter und profitieren einmal selber davon. Nur gemeinschaftlich gelingt es , die Relevanz einer guten Alterskultur bekannter zu machen, Nischen zu entdecken und bisher noch nicht entwickelte Angebote neu zu gestalten.
Vielen Dank für das Gespräch, durch ihr Engagement wird Lipperreihe auch in Zukunft liebens- und lebenswert bleiben.