Vorsicht Kurzarbeit! Sinnvolle Handlungsstrategien für Unternehmen, Einzelhändler und Solo-Selbstständige
Hallo Lipperreihe!
Wir sind alle daran interessiert unsere Geschäfte des Einzelhandels, Unternehmen und auch Solo-Selbstständige in ihrer Existenz zu unterstützen, weil wir uns gegenseitig brauchen. Trotzdem müssen auch Alternativlösungen in Betracht gezogen werden, die vielleicht nicht so reizvoll auf dem ersten Blick erscheinen, aber eine gute Voraussetzung schaffen, in dieser Ausnahmesituation proaktiv aus der wirtschaftlichen Krise zu kommen.
Eine rege Kommunikation auf unserer Dorffunk-App könnte Pro- und Kontra weiter vertiefen und somit ganz solidarisch vielleicht dem einen oder anderen Unternehmen in Lipperreihe helfen.
Der Artikel des Juristen Prof. Dr. Volker Römermann ist zwar lang, aber wir haben ja Zeit genug zum lesen. Ich freu mich, wenn ihr trotz allem Spaß an eine rege Diskussion habt, denn nur wenn wir anfangen zu gestalten, bewegen wir auch etwas.
Prof. Dr. Volker Römermann als Insider für Politik & Gesellschaft, Wirtschaft & Management, Job & Karriere hat dazu eine Zusammenfassung erstellt, die wirklich lohnenswert zum teilen ist:
Die Bundesregierung erleichtert ab Anfang April 2020 den Zugang zu Kurzarbeitergeld sowie zu unbürokratischen Bürgschaften und Krediten. Sind diese verlockenden Angebote für jedes Unternehmen wirklich sinnvoll, und welche Alternativen existieren?
Viele Unternehmen sehen in den Vorhaben der Regierung eine Chance, Kosten zu sparen. Zugleich wollen und müssen sie die Finanzierungszusagen der Regierung wahrnehmen. Ergibt das zusammen ein taugliches Instrument gegen die existenzbedrohlichen Folgen von Corona? Eine nähere Betrachtung zeigt: Eher im Gegenteil, die Risiken und Nebenwirkungen werden sogar noch erhöht. Wer verantwortungsvoll mit der aktuellen Situation umgehen will, muss langfristiger planen.
Kurzarbeitergeld erleichtert
Eine Reihe von neuen Regeln soll nach dem Willen der Bundesregierung die Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld spürbar erleichtern. So wird das Quorum der von Arbeitsausfall betroffenen Beschäftigten im Betrieb auf zehn Prozent abgesenkt. Leiharbeitnehmer sollen ebenfalls Kurzarbeitergeld erhalten. Die Sozialversicherungsbeiträge werden vollständig erstattet. Auf den Aufbau negativer Arbeitszeitsalden soll teilweise oder vollständig verzichtet werden.
Das klingt gut. Womöglich werden Arbeitskräfte in vielen Branchen erst einmal weniger gebraucht, in Restaurants etwa, in Reisebüros, in Hotels. Wenn man indes näher hinschaut, stimmt das oft nur bedingt. So ist etwa in Reisebüros der Bedarf an Beratern für sonnengetränkte Reiseziele derzeit denkbar gering. Aber negative Arbeit fällt zuhauf an: Die Bearbeitung von Stornierungen und die Bewältigung bürokratischer Aufgaben. Da fällt es nicht leicht, auf die Hälfte der Man- oder Women-Power zu verzichten.
Auswirkungen von Kurzarbeitergeld bei Insolvenz
In einigen Branchen und Betrieben ist absehbar, dass sich eine Insolvenz nicht vermeiden lässt. Nehmen wir wieder die Touristik. Wer könnte es wagen, zu prognostizieren, wann wieder die ersten Kunden wegen neuer Reisebuchungen durch die Tür treten? Sicher scheint nur, dass jede Reisetätigkeit auf Wochen, vermutlich Monate zum Erliegen kommt. Wer heute eine seriöse Liquiditätsvorschau anstellt, die nicht auf Sonntagsreden, sondern realistischen Prämissen basiert, wird einen Tag bestimmen, an dem die finanziellen Mittel nicht mehr ausreichen werden, um die akuten Verbindlichkeiten zu bedienen.
Wenn es zum Insolvenzantrag kommt, ist die Auswirkung von Kurzarbeitergeld eine doppelte: Zum einen erspart diese Maßnahme der Agentur für Arbeit Geld. Die AfA müsste nämlich ohne Kurzarbeit den vollen Lohn übernehmen, einschließlich Sozialversicherung und Überstunden, und das gleich für drei Monate. Mit Kurzarbeit übernimmt die Agentur ebenfalls alle Lohnkosten, allerdings dann in reduzierter Höhe.
Zum anderen ist die verfügbare Arbeitskraft faktisch halbiert. Dabei ist das vorläufige Insolvenzverfahren (also die – meistens drei – Monate zwischen Insolvenzantrag und Eröffnung) keineswegs die Zeit zum „Däumchen drehen“. Wer als Insolvenzverwalter etwas bewirken, das Unternehmen retten will, der zählt jetzt jeden Tag, an dem voll gearbeitet wird, an dem im besten Fall Einnahmen generiert werden, an dem der Restrukturierung der Boden geebnet wird. Nicht „allgemeine Entspannung“ ist daher die Aussage in der ersten Mitarbeiterversammlung nach Einsetzung des vorläufigen Insolvenzverwalters, sondern: „Ranklotzen! Keine Wegbewerbung, keine Krankschreibung!“ Dafür, welche Aussichten ein Unternehmen nach der Eröffnung hat, werden vor der Eröffnung die Weichen gestellt.
Damit gilt in der Tendenz: Wer früh Kurzarbeitergeld beantragt, spart dem Staat Geld, verkürzt aber auch seine eigenen Rettungschancen, wenn es dann zeitnah doch zur Insolvenz kommt.
Gegen die Insolvenz plant die Bundesregierung allerdings weitere Maßnahmen, die hier etwas näher beleuchtet werden sollen: Finanzhilfen und die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht.
„Unbegrenzte Mittel“ verspricht die Regierung, wenn es jetzt um staatliche Kredite geht. Dazu sollen zum einen öffentliche Bürgschaften gegeben werden, mit denen dann bei Kreditinstituten leichter Schulden gemacht werden können. Zum anderen gewährt die KfW unter erleichterten Bedingungen Kredite zur Überbrückung kurzfristiger Liquiditätsprobleme.
Unbegrenzte Verschuldung
Bürgschaftsbanken können künftig einen Bürgschaftshöchstbetrag von 2,5 Millionen Euro übernehmen. Bürgschaftsentscheidungen bis zu 250.000 Euro sollen von ihnen eigenständig und innerhalb von drei Tagen gefällt werden. KfW-Unternehmerkredite und ERP-Gründerkredite Universell werden leichter vergeben: Übernahme höherer Risiken, Verfügbarkeit auch für Großunternehmen. Für KfW-Sonderprogramme stellt die Bundesregierung mindestens 460 Milliarden Euro zur Verfügung. Der „KfW Kredit für Wachstum“ kann auch von Unternehmen ab einer Umsatzgrenze von fünf Milliarden (bisher zwei Milliarden) Euro genutzt werden. Das Großbürgschaftsprogramm für strukturschwache Regionen wird auch auf Betriebe außerhalb solcher Regionen erstreckt. Außerdem stellt der Bund Hermesbürgschaften bereit, um Zahlungsrisiken im Auslandsgeschäft abzufangen.
Einmal unterstellt, die Mittel seien tatsächlich „grenzenlos“ und deckten den Zusammenbruch ganzer Branchen; weiter unterstellt, die Vergabe verliefe wirklich so unbürokratisch und personelle Engpässe bei der Antragsbearbeitung gäbe es auch in Zeiten von Corona nicht; schließlich unterstellt, die Unternehmen hätten so wenige Anforderungen zu erfüllen, dass ihnen die Zuteilung solcher Gelder gelänge: Reicht das alles für eine Rettung aus?
Rettung durch Bürgschaften?
Mehrere Faktoren sprechen dagegen. Da ist zunächst der Zeitfaktor. Wie viele Reserven haben deutsche Unternehmen denn im Allgemeinen, wie lang reicht ihr Atem? Einen Monat? Zuweilen – schon deutlich seltener – zwei? Oder doch nur einige Wochen oder Tage? Viele Betriebe werden den Eingang von Geld auf ihrem Konto erst erleben, wenn es für eine Rettung schon zu spät ist. Auch wenn die Digitalisierung fortgeschritten ist und nun einen sprunghaften Wachstumsschub erlebt: So schnell sind die Systeme zur Bewilligung eben derzeit noch nicht.
Noch wesentlicher ist aber eine Langfristbetrachtung. Wieder zum Reisebüro: Ihm möge es gelingen, in Zeiten komplett wegbrechender Buchungen die Kosten praktisch allein aus Darlehen zu decken, die durch solche Bürgschaften möglich geworden sind. Bis die Krise vorüber zieht, werden Monate vergehen. Für Zwecke des Rechenmodells seien hier mindestens drei Monate unterstellt. Weil dann der Buchungsbetrieb nicht sogleich auf 100 Prozent steigt, wird man realistisch von vier oder fünf monatlichen Kostenblöcken ausgehen müssen, die sich letztlich zu einem Kredit summieren. Die Zahlungsunfähigkeit mag damit abgewandt sein. Aber eine Überschuldung ist das Resultat.
Aussetzung der Insolvenzantragspflicht
Das Bundesjustizministerium plant derweil eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 30.09.2020, verlängerbar – man höre die Worte des Ministeriums – bis Ende März 2021. Zwei Bedingungen werden an diese Aussetzung geknüpft: Die Sanierungsfähigkeit und die Corona-Betroffenheit. Derzeit setzt durch Corona ein Effekt ein, der keine Branche verschont. Schon die Infektion eines Mitarbeiters kann große Betriebe zum Erliegen bringen. Die Betroffenheit ist also typischerweise rasch dargetan.
Anders sieht es dann schon mit der Sanierungsfähigkeit aus. Wer könnte sagen, ob die Reisebranche in absehbarer Zeit gesundet? Wer wagte eine positive Prognose für Touristik-Betriebe? Wahrscheinlich werden Prüfungen angestellt, für die wieder eigene Gutachter das Unternehmen analysieren müssen. Diese Sachverständigen müssen Insolvenz- und Sanierungs-Know-how mitbringen. Solche Personen sind in diesen Wochen überall händeringend gefragt. Wer hat das Personal, wer die Sicherheit, zu sagen, ob unter solchen Voraussetzungen die Antragspflicht hinausgeschoben wird oder eben nicht?
Risiko Insolvenzverschleppung
Angesichts drastischer Konsequenzen einer Überschreitung gebotener Fristen ist das kein Gebiet für tolerable Unsicherheiten. Kommt am Ende jemand zu dem Ergebnis, es wäre ein Insolvenzantrag bereits zu stellen gewesen, so droht die Verfolgung wegen Insolvenzverschleppung – mit dem Risiko einer strafrechtlichen Verurteilung -, es droht die fünfjährige Inhabilität (also die Unmöglichkeit, noch irgendwo Geschäftsführer oder Vorstand zu werden) und es drohen einschneidende Haftungsfolgen (Ersatz allen abgeflossenen Geldes ab dem Moment der Insolvenzantragspflicht).
Aber selbst unterstellt, die Insolvenzantragspflicht spielte keine Rolle: Ist es denn sinnvoll, sehenden Auges in ein Überschuldungsszenario hineinzustolpern, aus dem sich das Unternehmen, wenn es bislang „normale“ Gewinnmargen hatte, auf viele Jahre nicht würde befreien können?
Ein „Must“: Die Liquiditätsvorschau
Wer aktuell als Manager eine nüchterne Sicht walten lassen will, wird zunächst eines tun: Eine sorgfältige Liquiditätsvorschau aufzustellen. Das ist nicht trivial, weil jede Prämisse auf wackligen Füßen steht. Aber mehr Sicherheit geben die Zeiten nicht her. Unsicherheiten sind keine Rechtfertigung dafür, nichts zu tun.
Aus der Liquiditätsprognose über die nächsten, sagen wir einmal, sechs Monate ergibt sich die entscheidende erste Weichenstellung. Besagen die Zahlen, dass genügend Mittel zur Deckung des Finanzbedarfs im Unternehmen vorhanden sind und man getrost abwarten kann, wie die Welt in vier oder fünf Monaten aussieht, dann können Kurzarbeitergeld beantragt und der Betrieb mit geringerer Geschwindigkeit fortgesetzt werden.
Strohfeuer oder Dauerlösung?
Folgt aus der Analyse hingegen, dass in wenigen Monaten die Zahlungsunfähigkeit und die Überschuldung eintreten, so ist weiter zu prüfen: Kann durch eine Kombination von Kurzarbeitergeld und/oder Inanspruchnahme zusätzlicher Darlehen die Situation nicht nur kurzfristig gerettet, sondern unter Einbeziehung angemessener Rückzahlung auch langfristig gesundet werden? Erweisen sich die staatlichen Angebote nun als „Strohfeuer“ und steht das Unternehmen bei Nutzung des Regierungsprogrammes in wenigen Monaten wieder vor dem „Aus“, dann bedeutet das: „Sterben auf Raten“. Dieses „Aus“ kann wiederum in Alternativen auftreten: In Gestalt einer echten, harten Insolvenzantragspflicht etwa am 1. Oktober 2020 oder aber so, dass das Joch der Schulden dem Betrieb jede Bewegungsfreiheit nimmt und ihn über die Jahre dann doch in die Knie zwingt, etwa weil notwendige Investitionen nicht getätigt werden können.
Zurücklehnen oder Handeln?
Fällt das Ergebnis der Liquiditätsbetrachtung so aus, dass zu irgendeinem Zeitpunkt die Insolvenz wahrscheinlich ist, so hat ein Unternehmer nur in der Theorie zwei Varianten: Die erste wäre, abzuwarten, staatliche Hilfen anzunehmen in dem Wissen, dass sie nicht wirklich helfen, sich in die Hoffnung zu hüllen, es könne doch alles irgendwie besser werden, Wunder geschähen. Das bedeutet Zeitgewinn, Ruhe, Passivität. Die zweite: Handeln. Jetzt – buchstäblich jetzt – die Schritte einzuleiten, die geboten sind.
Warum geboten? Der Gesetzgeber hat im Jahre 1999 mit Inkrafttreten der Insolvenzordnung (anstelle der früheren Konkursordnung) einige Kurskorrekturen vorgenommen. Ihm war zu Augen getreten, dass das frühere System versagt hatte. Unternehmen wurden „plattgemacht“, Insolvenzverwalter erschienen als „Totengräber“, Arbeitsplätze wurden vernichtet und mit Quoten unter 5 Prozent gingen auch die Gläubiger leer aus. Nun schrieb der Gesetzgeber die Sanierung in die neue Norm und stellte Instrumentarien bereit, um sie zu fördern.
Eines davon ist durch den Grundsatz charakterisiert: Je früher der Antrag, desto größer die Sanierungschancen.
Heute, über 20 Jahre nach Inkrafttreten, gibt es damit positive Erfahrungen. Und es trifft absolut zu: Wird ein Insolvenzantrag zu einem Zeitpunkt gestellt, zu dem die Schlüsselmitarbeiter sich schon abgewandt haben, Kunden gekündigt haben, Vorräte aufgebraucht und Finanzen erschöpft sind: Welcher Insolvenzexperte könnte es nun noch schaffen, den Karren aus dem Dreck zu ziehen?
Anders bei früher Antragstellung: Alle Arbeitnehmer noch an Bord, die Kunden treu und zufrieden, die Qualität gut, gewisse Geldmittel noch verfügbar. Das ist die Ausgangssituation, die sich ein Sanierungsexperte, ein Insolvenzverwalter wünscht. Jetzt kann er den Hebel ansetzen und wenn er es richtig anstellt, offen kommuniziert, das Vertrauen der Stakeholder erwirbt, notwendige Umstrukturierungsmaßnahmen beherzt, aber auch mit Augenmaß angeht, Problemen nicht ausweicht, sondern den Stier stets bei den Hörnern packt: Dann sind die Chancen einer gelingenden Rettung maximal hoch. Darauf zielten die Änderungen im Gesetz ab.
Insolvenzantrag wegen „drohender Zahlungsunfähigkeit“
Dafür gibt es die Insolvenzantragstellung wegen „drohender“ Zahlungsunfähigkeit. „Drohend“, das bedeutet: Es ist noch Geld da. Eigentlich besteht noch kein Zwang, zum Insolvenzgericht zu gehen. Aber man darf das tun, wenn man verantwortungsvoll mit dem eigenen Unternehmen verfahren möchte.
Probleme aktiv anzugehen, erfordert Mut. Insolvenz, schon das Wort löst panische Reaktionen aus. Untergang, Einstellung des Betriebes, persönlicher Ruin, Achtungs- und Gesichtsverlust, Gefängnis. Viele Gedanken gehen Geschäftsleitern dazu durch den Kopf. Die Erfahrung lehrt: War der Geschäftsführer kein Ganove, sondern ist er schlicht in den Strudel von Corona geraten, dann wird von alledem nichts eintreten. Jeder weiß, was Corona ist, und entwickelt spontan Solidarität mit den Opfern. Kunden und Lieferanten werden verständnisvoll und loyal reagieren, oft sogar Unterstützung anbieten. Dem persönlichen Ruin wird durch eine rechtzeitige Antragstellung vorgebeugt.
Die Person des Insolvenzverwalters
Ist der Antrag bei Gericht und hat das Gericht eine Person eingesetzt, um die Insolvenz zu begleiten, dann fällt Managern oft ein Stein vom Herzen. Ihnen wird Verantwortung abgenommen, tage- oder wochen-, zuweilen monatelanges quälendes Hoffen und Bangen, Zögern und Zaudern hat ein Ende. Die Mitarbeiter hören auf, zu fragen, wie es weitergehen soll, Gerüchte im Markt verstummen. Klarheit gewinnt an Terrain.
Viele Gerichte in Deutschland folgen dem Wunsch des Geschäftsführers, wenn er in seinem Insolvenzantrag anregt, eine bestimmte Person zum Insolvenzverwalter zu bestellen. Derartige Anregungen hätte es vor einer Juristengeneration kaum gegeben, heute gehören sie zum Alltag an den Insolvenzgerichten. Warum auch nicht? Wenn der Kandidat schon vorbefasst war, etwa als enger Vertrauter und Berater des Geschäftsführers, dann kommt er für das Amt nicht in Frage. Einzelne Vorgespräche, die der Information und dem Abbau von Ängsten dienen, sind hingegen unschädlich, zumindest wenn sie dem Gericht offen mitgeteilt werden. Oft hilft es der Geschäftsführung, „ihren“ Insolvenzverwalter im Vorfeld gesprochen, im besten Fall eine gewisse Vertrauensbasis aufgebaut zu haben. Und das wiederum erleichtert die Zusammenarbeit gerade in den entscheidenden ersten Wochen.
Die ersten Tage nach dem Antrag
Auf die Einsetzung des Insolvenzverwalters folgen Gespräche mit Geschäftsführung und Gesellschaftern, mit – ganz wichtig! – dem Betriebsrat, soweit vorhanden, mit den Mitarbeitern, das alles möglichst noch am selben Tag, mit der lokalen Presse und den wichtigsten Kunden und Lieferanten. Die Hoheit über die Kommunikation zu behalten, ist eine der vornehmsten Aufgaben des Verwalters, denn Kommunikation bewirkt Vertrauen und Vertrauen ist die Grundlage für Kooperation. Wer offen mit den Mitarbeitern umgeht, wird deren Committment zum Sanierungszweck ernten. Wer meint, es besser zu wissen und nur Entscheidungen von oben herab zu verkünden, wird scheitern. Die Person des Insolvenzverwalters ist daher nach einem oft zitierten, immer noch richtigen Bonmot die „Schicksalsfrage“ jeder Insolvenz.
Der gute Insolvenzverwalter wird seine Tätigkeit schon am ersten Tag auf das Ende hin ausrichten: Auf den Moment, in dem er das Schiff mit diesem Unternehmen wieder aus dem sicheren Hafen des Insolvenzverfahrens entlassen kann. Das gelingt nicht immer und in Zeiten der weltweiten Corona-Krise sind Vorhersagen dazu praktisch unmöglich geworden. Aber es kann gelingen und nur wer sich das Ziel setzt, wird es auch erreichen können.
Eigenverwaltung
Neben der „klassischen“ Regel-Insolvenzverwaltung gibt es die Variante der sog. Eigenverwaltung. Hier tritt zu der bisherigen Geschäftsführung ein rechtlich versierter Insolvenzexperte hinzu, sei es als förmlicher Co-Geschäftsführer, als Generalbevollmächtigter oder auch nur aufgrund umfangreicher Anwaltsvollmachten. Das Gericht ordnet auf Antrag die Eigenverwaltung an, wenn es sich davon überzeugt hat, dass nicht „der Bock zum Gärtner“ gemacht wird, sondern auch diese Alternative einen gesetzeskonformen und wirtschaftlich sinnvollen Gang der Dinge verheißt. Sodann wird ein Sachwalter ernannt, der nach dem Rechten schauen soll.
In der Eigenverwaltung wird oft ein Schwerpunkt auf einen Insolvenzplan gelegt. Eigentlich ist die Idee, dass Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten und dadurch eine Sanierung eintritt, wenn das Unternehmen eine Zeitlang fortgeführt wird und die Quote bedient. In Zeiten der Corona geht es aber oft weniger um solche Altschulden als vielmehr darum, die unmittelbar bevorstehenden Einbußen zu bewältigen. Die Eigenverwaltung eignet sich hierfür häufig, aber nicht immer.
Resümee
Simple Rezepte und den Heilsbringer Bundesregierung mit garantiert rettungsstiftenden Geschenken gibt es in der Corona-Krise nicht. Unternehmenslenker sind aufgerufen, ihre wirtschaftliche Situation mit kühlem Kopf zu analysieren und realistische Handlungsoptionen zu entwickeln. Dabei gilt, dass überstürzte Einzelmaßnahmen wie etwa ein Antrag auf Kurzarbeitergeld oft eher gegenteilige Effekte bewirken. Aber es darf auch keine wertvolle Zeit verschwendet und später lebensnotwendiges Geld sollte nicht verbrannt werden. Angst, Panik gar ist kein guter Ratgeber. Schnelles Handeln auf Grundlage sorgfältig erarbeiteter Analysen hingegen kann Unternehmen retten. Auch wenn die Corona-Krise gerade erst so richtig einsetzt, darf jetzt keine Zeit verspielt werden.
Vielen Unternehmen ist das Instrument des vorläufigen Insolvenzverfahrens nicht bekannt. Man muss die Bundesregierung dafür kritisieren, dieses erfolgversprechende, reibungslos und schnell funktionierende Verfahren nicht ebenso transparent zu erwähnen wie die der neuen Erleichterungen.
Den Unternehmern sei deshalb gesagt: Es gibt keinen Grund, das vorläufige Insolvenzverfahren zu fürchten. Ganz im Gegenteil: In immer mehr Fällen erlebt, wer aktiv vorgeht und offen mit allen Parteien kommuniziert, eine erstaunliche Solidarität seiner Geschäftspartner, Kunden und Mitarbeiter, die jetzt und in Zukunft nur eines wünschen – und das sind gute gemeinsame Geschäfte.